Rede zum Haushalt 2024

Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Stephan Mrstik bei der Ratssitzung 19.03.2024

Fraktionsvorsitzender Stephan Mrstik am Rednerpult


Wie fängt man eine Rede in dieser Zeit an?

Mit dem Ernst der Lage? Denn sie ist ernst.

Allgemein: Klimawandel, Krieg in Europa, Angriff auf die Demokratie von Rechts, Corona-Folgen,

In Wülfrath: Dramatische Verschuldung, in die Jahre gekommene Infrastruktur.

Sehr geehrter Bürgermeister,

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger

sehr geehrte Ratsmitglieder,

sehr geehrte Presse,

Können wir das alles bewältigen? Ja, … aber!

Aber bedeutet, wenn wir einen Plan haben, der

  • ein konkretes Ziel hat.
  • langfristig angelegt ist.
  • mittelfristig priorisiert
  • konkrete Maßnahmen und Meilensteine hat.

Für uns GRÜNE steht die Lebensqualität in Wülfrath jetzt und dauerhaft als Ziel ganz oben. Das bedeutet: Alles, was wir unternehmen, darf diesem Ziel nicht widersprechen.

Was brauchen wir dafür konkret?

  • Ein aktives Gemeinwesen mit Vereinen und ähnlichen Organisationen.
  • Unterstützung des Ehrenamtes.
  • Orte, an den sich Wülfrather treffen, Freizeit erleben und sich vernetzen.
  • Ausreichenden und guten Wohnraum.
  • Unternehmen, die gute zukunftsorientierte Arbeitsplätze bieten und sich an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen.
  • Junge Familien, die in Wülfrath leben wollen.
  • Gute Schulen, die alle allgemeinen Schulabschlüsse anbieten.
  • Solide Finanzen, die das alles dauerhaft finanzieren.

Wülfrath hat mit seinen Vereinen und ehrenamtlichen Aktiven ein starkes Pfund in der Hand für eine lebendige und aktive Gemeinschaft. Ihnen garantieren wir die Mittel, mit denen sie ihren wertvollen Beitrag weiter leisten können. Dabei steht z.B. für uns z.B. im Vordergrund, dass Wülfrather in Wülfrath Kultur betreiben. Wir sehen uns aber nicht als Konkurrenz zu Kulturangeboten in der nahen Umgebung. Wir stehen zum WIR Haus, genauso wie zum Hallenbad, Medien Welt, Jugendhaus und den anderen wichtigen Einrichtungen. Zu deren Sicherung und Finanzierung erhöhen wir die Grundsteuer.

Herr Bürgermeister, trotz Erhöhung der Grundsteuer sehen wir diesen Haushalt auf Kante genäht. Die Gewerbesteuer erscheint sehr positiv kalkuliert. Pauschalen Kostensenkungen zum Vorjahr stehen noch keine konkreten Maßnahmen gegenüber. Verstehen Sie unsere Zustimmung zu diesem Haushalt als Vertrauensbeweis. Wir erwarten jedoch Maßnahmen für den Fall, das sich diese Prognosen nicht bestätigen sollten.

Wohnraum ist allgemein knapp.  Bezahlbarer Wohnraum für viele noch im Besonderen. Bedeutet das nun jede Fläche zur Bebauung auszunutzen?

Nein, das bedeutet es nicht, weil es der dauerhaften guten Lebensqualität in Wülfrath widerspricht.

Die Versiegelung von Flächen schädigt die Biodiversität. Lebensraum für Pflanzen und Tiere geht dauerhaft verloren.

Versiegelte Flächen erhöhen die Stadttemperaturen, weil sie Wärme speichern und diese an ihre Umgebung abgeben. Die steigenden Temperaturen führen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Starkwetterereignisse wirken auf versiegelten Flächen deutlich schwerwiegender ein als auf natürlichen Flächen. Dadurch werden die ohnehin bestehenden lokalen Effekte des Klimawandels noch verstärkt und tragen allgemein zum weiteren Klimawandel bei. Schutz natürlicher Flächen ist also nicht nur ein Thema für Naturliebhaber, sondern für uns alle.

Wieso eigentlich nicht dieses kleine Stück am Flehenberg für sozialen Wohnungsbau nutzen? Hat das wirklich solche dramatischen Auswirkungen?

Der Flächenfraß ist unersättlich. Dieselben Diskussionen gab es bereits vor 25 Jahren am oberen Flehenberg, Hundertwasser Siedlung, unterhalb der Kastanienallee. Stetig die gleichen Argumente und der Flächenhunger endet nicht, trotz rückgängiger Bevölkerungszahl.

Bauprojekte, wie jetzt am Flehenberg geplant, werden jeden Tag in Deutschland zigmal gestartet. Laut dem Bundesamt für Naturschutz wird in Deutschland täglich eine Fläche von etwa 58 Hektar versiegelt. Das sind 82 Fußballfelder. Wir brauchen daher einen generellen Schutz der natürlichen Flächen, auch hier in Wülfrath.

Nun kommt kontinuierlich das Argument, Bevölkerungswachstum reduziere die Kosten pro Kopf. Woher nehmen sie diese Annahme? Tatsächlich steigen die Probleme mit der Größe einer Stadt eher an. 80 % der Großstädte haben eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung als Wülfrath. Heiligenhaus hat trotz 5.300 Einwohner mehr eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung als Wülfrath.

Ein neues Wohngebiet braucht neue Infrastruktur, wie Kanäle und Straßen. Den Erhalt bestehender Straßen können wir uns jetzt schon kaum leisten. Ich erinnere an 30 Mio. EUR Instandsetzung- und Investitionsstau. Da haben wir über die Kanäle noch gar nicht gesprochen. Wachstum der Einwohnerzahl erfordert u.a. neue KiTas und unsere Schulen reichen wohl auch nicht mehr aus. Wohlstand durch Bevölkerungswachstum, da sind Sie mit einem Rezept von gestern auf dem Holzweg.

Wir wollen daher neuen attraktiven Wohnraum in der Innenstadt. Mit den Maßnahmen der GWG an der Schillerstraße und an der Düsseler Straße ist etwas Gutes auf dem Weg. Bedarf besteht an altersgerechten Wohnungen. Sie bieten in der Innenstadt gute Lebensqualität, auch weil dort die erforderliche Infrastruktur bereits vorhanden ist. Dabei sehen wir Potenzial bei Aufstockung und Dachgeschossausbau bereits bestehender Gebäude. Neuer Wohnraum für Ältere in der Innenstadt schafft im Wechsel Wohnraum für junge Familien. Damit decken wir nachhaltig den Wohnungsbedarf.

Familien brauchen gute Schulen. Dafür haben wir bereits einiges in Wülfrath getan. Die Elternbefragung hat Maßnahmen auf den Weg gebracht und die Digitalisierung ist auch vorangekommen. Die Anmeldezahlen an den Wülfrather Schulen ist erfreulich gestiegen. Wir GRÜNE stehen weiterhin für alle allgemeinen Schulabschlüsse in Wülfrath.

Der Plan zur Reduzierung der Kassenkredite ist im Rat immer wieder scharf kritisiert worden. Dabei sollte es jedem klar sein, dass man nur mit soliden Finanzen seine Ziele langfristig erreicht.

Vor allem ist der Plan als nicht umsetzbar und als sinnloser Verwaltungsaufwand kritisiert worden. Sturm im Wasserglas, seltener traf das mehr zu als bei diesem Thema.

Nicht umsetzbar?  Tatsächlich ist es eine Erfolgsstory. Vom 31.12.2019 bis 31.12.2023, also innerhalb von 4 Jahren wurden die Liquiditätskredite um 7,1 Mio. EUR reduziert.

Sinnloser Verwaltungsaufwand? Wenn nicht jetzt, bei der aktuell schwierigen Haushaltlage, wann dann sollte jede Ausgabe hinterfragt werden.

Sobald die Haushaltslage dies wieder zulässt, muss der Schuldenabbau weitergehen. So macht es jeder vernünftige Mensch, jedes erfolgreiche Unternehmen. Wieso soll das bei einer Stadt anders sein? Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes haben Land und Bund kaum noch Spielraum, die Kommunen beim Schuldenabbau zu unterstützen. Wir werden es wohl allein stemmen müsse.

Nur mit einer konsequenten Finanzpolitik werden wir u.a. den enormen Investitions- und Instandsetzungsrückstand der Straßen, der laut Verwaltung 30 Mio. EUR beträgt, bewältigen. Die im letzten Sommer im Rat beschlossenen Maßnahmen zur Straßensanierung sind bereits auf Grund des aktuellen Haushaltslochs mittelfristig wieder deutlich reduziert. Thomas May und ich hatten bereits damals die Planung für nicht plausibel kritisiert.  So lässt sich keine nachhaltige Strategie entwickeln, die Straßen dauerhaft in guten Zustand zu versetzen. Die notwendigen Maßnahmen werden erneut in die Zukunft verschoben. Genau das hat unsere Straßen in den jetzigen schlechten Zustand gebracht.

Da sind wir wieder bei einem konkreten und verlässlichen Plan, genauer beim Teilplan Straßen. Ein derart großes Projekt lässt sich nicht permanent rauf und runter priorisieren, ansonsten verschlimmert sich die Situation ständig mehr.

Die Wülfrather Unternehmen tragen einen wichtigen Beitrag mit Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer zu unserem Gemeinwesen bei. Neue Gewerbeflächen fehlen. Wir wollen daher insbesondere für die ansässigen Unternehmen ein guter Standort sein. Wir GRÜNE haben intensiv zu einer Gewerbesteuererhöhung schon in diesem Jahr diskutiert. Wir sehen aber auch die Belastung der Unternehmen bereits durch die Grundsteuererhöhung und allgemeine schwache Konjunkturdaten. Auch die positiveren Signale aus der Kämmerei zum Jahresabschluss 2023 haben uns dazu bewogen, die Gewerbesteuer noch nicht zu erhöhen. Dennoch ist eine Erhöhung im nächsten Jahr für uns noch nicht vom Tisch, sollte sich die optimistische Gewerbesteuerprognose 2024 nicht bestätigen.

Megatrends wie Shopping im Internet lassen sich nicht durch Förderprogramme aufhalten. Wir gewinnen mit dem Förderprogramm der Fußgängerzone jedoch bei angemessenem Aufwand Zeit für einen langfristigen Plan zur Innenstadt. Wir GRÜNE sehen die Innenstadt immer noch als einen zentralen Treffpunkt der Wülfrather. Daher sollten wir uns noch mal intensiv Gedanken um deren Aufenthaltsqualität machen.

Deutschlandweit nehmen Angriffe von Rechts auf die Demokratie zu und gleichzeitig gewinnt die AFD mehr Zustimmung. Wir sind eine stabile wehrhafte Demokratie. Das haben auf imposante Weise auch die Kundgebungen in Wülfrath gezeigt. Mehrere 1000 Menschen haben hier für Freiheit und Toleranz Flagge gezeigt. Das ist ein Zeichen für unsere lebendige Stadt. Demokratie braucht eine funktionierende Gemeinschaft. Dennoch ist auch hier die Situation ernst und die bisherige Mobilisierung der Demokraten reicht nicht aus.

Das effektivste Mittel gegen Rechts ist Wählen. Wer nicht wählt, stärkt antidemokratische Parteien. Wir brauchen aber mehr. Demokraten müssen auf allen Ebenden präsent sein und sollten Antidemokraten keinen Raum lassen, vom Internet bis ins private Gespräch. Ja, das ist im Freundeskreis manchmal eine Gradwanderung.

Demokratie benötigt eine starke politische Vertretung. Dafür steht dieser Stadtrat und er macht das mit einem sehr angemessenen Budget. Während andere Städte ihren Fraktionen durch finanzielle Zuwendung die Anstellung einer Fraktionsgeschäftsführung ermöglichen, arbeiten die Fraktionen in Wülfrath vollkommen ehrenamtlich. Die komplette politische Arbeit der Fraktionen erfolgt in der Freizeit der Ratsmitglieder. In unserer Fraktion leistet jedes Mitglied seinen Betrag. Die Anzahl der Ratsmandate trägt erheblich zur Qualität der politischen Arbeit bei. Davon profitiert unsere Stadt.

Das mag mancher anders sehen. Entscheidend für die Demokratie ist jedoch am Ende auch, in welchem Stil wir als Demokraten miteinander streiten. Mit Populismus kann man sicher kurzfristig punkten. Langfristig profitieren nur die Antidemokraten, weil Populismus deren Angriff auf die Demokratie unterstützt und Menschen nicht zur aktiven Beteilung an Politik begeistert. Das widerspricht einem guten Gemeinwesen und einer guten Lebensqualität, die für Freiheit und Toleranz entscheidend sind. Dem sollten wir uns stets bewusst sein.

Zurück zum Anfang. Die Lage ist ernst. Viele Menschen sind verunsichert. Ein guter Plan mit einem gemeinsamen Ziel gibt uns Orientierung, das Richtige zu tun und überzeugt die Bürgerinnen und Bürger, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das schafft Vertrauen in die Demokratie.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!